ESIA Erzieherfortbildung zur sprachlich-interaktiven Anregung

"ESIA Erzieherfortbildung zur sprachlich-interaktiven Anregung" steht für ein wissenschaftliches Projekt, in dem die kurz- und langfristige Effektivität eines Modells zur alltagsintegrierten Sprachförderung bei pädagogischen Fachkräften und Kindern evaluiert wurde.
Das Projekt wurde in drei Phasen durchgeführt:
- ESIA 1: Erzieherqualifizierung zur Erhöhung des sprachlichen Anregungsniveaus in Tageseinrichtungen für Kinder (2004-2006)
- ESIA 2: Systematische sprachliche Anregung im Kindergartenalltag zur Erhöhung der Bildungschancen von Kindern aus sozial schwachen und Migrantenfamilien – eine Interventionsstudie (2007-2009) waren Gemeinschaftsprojekte von
unter Leitung von Prof. Dr. E. Kuno Beller, Prof. Dr. Hans Merkens & Dr. Christa Preissing und gefördert von der Stiftung Deutsche Jugendmarke e.V. - ESIA-Follow-up: Longitudinale Effekte einer Erzieher-fokussierten Intervention zur Erhöhung des sprachlichen Anregungsniveaus und eines demokratischen Erziehungsstils auf Erzieher und ein- bis dreijährige Kinder mit und ohne Migrationshintergrund (2006-2012) unter Leitung von Simone Beller und gefördert von Forschung und Fortbildung in der Kleinkindpädagogik
Ziele der Studie
In den Projektphasen ESIA 1 und ESIA 2 wurden die kurzfristigen Effekte einer systematischen Intervention zur Erhöhung des sprachlichen Anregungsniveaus pädagogischer Fachkräfte im Kitaalltag bei Fachkräften sowie deren Wirkung auf die sprachliche und kognitive Entwicklung ein- bis dreijähriger (ESIA 1) und vier- und fünfjähriger Kinder (ESIA 2) mit und ohne Migrationshintergrund evaluiert.
Im ESIA – Follow-up wurde überprüft, ob bei pädagogischen Fachkräften und Kindern auch langfristig, d.h. rund zwei Jahre nach Abschluss von ESIA 1 bzw. ESIA 2, noch positive Effekte der Intervention bei pädagogischen Fachkräften und Kindern nachzuweisen sind.
Die pädagogische Intervention
Die pädagogische Intervention, eine Fortbildung der pädagogischen Fachkräfte in der natürlichen Situation an ihrem Arbeitsplatz, bestand aus 20 wöchentlichen dreistündigen Treffen, in denen eine trainierte Projektmitarbeiterin als Modell eines erhöhten sprachlichen Anregungsniveaus und demokratischer Verhaltensweisen diente. Die Projektmitarbeiterin demonstrierte die im Projekt angestrebten Verhaltensweisen in ihren Interaktionen mit den Kindern der Gruppe. Ziel des Modells war es nicht, feste Verhaltensmuster zu bieten und einzuführen, sondern vielmehr wurde die Vermittlung von Prinzipien angestrebt, die das spontane Verhalten der Erzieher im Alltag leiten sollten.
Die zentralen Methoden, dieses Ziel zu erreichen, waren systematische und gegenseitig abwechselnde Beobachtungen basierend auf Videoaufnahmen, die eine objektivere Wahrnehmung sowie Distanz zum Geschehen ermöglichten. In wöchentlich stattfindenden Auswertungsgesprächen schätzten Projektmitarbeiterin und pädagogische Fachkraft ihre Videoaufnahmen anhand objektiver Kriterien des sprachlichen Anregungsniveaus und eines demokratischen Erziehungsstils ein (Videoanalyse). Auch in der Auswertung diente die Projektmitarbeiterin als Modell für die pädagogische Fachkraft, sich kritisch mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen und weitere alternative Handlungsmöglichkeiten, die den angestrebten Zielen näher kamen, zu finden. Die Videos wurden mit der Methode des Microteachings ausgewertet, wobei die Konzentration auf kleine, überschaubare Sequenzen eine intensive Wahrnehmung und Auseinandersetzung ermöglicht.
Die Projektmitarbeiter erhielten wöchentlich Gruppensupervision durch die Projektleitung und -koordinatorin sowie regelmäßig Einzelsupervision. In diesen Sitzungen wurde durch die Auswertung von Videos der Projektmitarbeiterin in Interaktion mit den Kindern eine kontinuierlich steigende Qualität des Modells sichergestellt sowie der Prozess der Interaktion zwischen Projektmitarbeiterin und Erzieherin supervidiert. Zusätzlich zur Fortbildung am Arbeitsplatz fanden drei externe Gruppenfortbildungen für die Erzieher statt.
Die Evaluation des Modells zur Erhöhung des sprachlichen Anregungsniveaus
Die Evaluation der Intervention erfolgte in einem quasi-experimentellen Design mit Prä- und Post-Erhebung (bzw. Prä-Follow-up) bei randomisierter Zuteilung der pädagogischen Fachkräfte und deren Kitagruppen zu Interventions- und Kontrollgruppe.
Durch die Evaluation sollten folgende zentrale Fragen geklärt werden:
1. Können pädagogischer Fachkräfte ihr Sprachverhalten und Erziehungsstil durch eine 6 - monatige Fortbildung in die angestrebte Richtung verändern?
2. Zeigt ein im Alltag erhöhtes Anregungsniveau eine positive Wirkung auf den sprachlichen und kognitiven Entwicklungstand der Kinder?
3. Zeigen sich Unterschiede in der Wirkung bei den Kindern in Abhängigkeit ihres Alters oder ihrer Sprachherkunft?
4. Sind Effekte bei pädagogischen Fachkräften und Kindern über Zeit stabil, d.h. auch langfristig nachweisbar?
Die Untersuchung wurde in Berliner Kindertagesstätten in Bezirken durchgeführt, in denen in den Sprachstanderhebungen des Senats eine hohe Anzahl von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf ermittelt worden waren. Vor und nach der Fortbildungsmaßnahme wurde bei allen beteiligten päd. Fachkräften in Kontroll- und Interventionsgruppe sprachliches Anregungsniveau und Erziehungsstil eingeschätzt, um die Veränderungen beider Gruppen (Kontrolle/Intervention) miteinander vergleichen zu können. Auch bei den Kindern wurden sprachliche und kognitive Entwicklung vor Beginn und nach Ende der Fortbildungsmaßnahme eingeschätzt. Eine wiederholte Einschätzung erfolgte im Follow-up zwei Jahre nach Abschluss der Intervention.
Tabelle Stichprobe in den drei Phasen des ESIA-Projektes
| Interventionsgruppe | Kontrollgruppe |
ESIA 1 |
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Pädagogische Fachkräfte | 18 | 13 |
1-, 2- und 3-jährige Kinder | 88 | 67 |
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ESIA 2 |
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Pädagogische Fachkräfte | 18 | 20 |
4- und 5-jährige Kinder | 73 | 78 |
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ESIA Follow-up |
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Pädagogische Fachkräfte |
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Kinder aus ESIA 1 | 84 | 56 |
Ergebnisse
Die Ergebnisse von ESIA 1 und ESIA 2 zeigen einen signifikanten Zuwachs sprachanregender und demokratischer Verhaltensweisen bei den pädagogischen Fachkräften, die die intensive Fortbildung am Arbeitsplatz (Intervention) erhalten hatten, im Vergleich zu denen der Kontrollgruppe. Dies zeigt deutlich, dass das (sprachliche) Anregungsniveau pädagogischer Fachkräfte durch unsere systematische Fortbildung am Arbeitsplatz unter Einsatz der Videoanalyse erhöht werden kann.
Bei den Kindern zeigten sich signifikante positive Effekte der Intervention bei ein-, zwei- und dreijährigen Kindern in Sprache und Kognition - unabhängig von ethnischer Herkunft und Alter der Kinder (ESIA 1). In ESIA 2 konnte bei Vierjährigen unabhängig von Migrationshintergrund ein signifikanter Zuwachs an sprachlichen Kompetenzen nachgewiesen werden, nicht aber bei den Fünfjährigen.
Im Projekt konnte also empirisch nachgewiesen werden, dass sich eine Erhöhung des (sprachlichen) Anregungsniveaus und des Auftretens demokratischer Verhaltensweisen pädagogische Fachkräfte positiv auf die sprachliche Entwicklung der Kinder auswirkt.
Für ESIA-Follow-up liegen bislang nur Ergebnisse für pädagogische Fachkräfte und Kinder aus der Projektphase ESIA 1 vor. Zwei Jahre nach Abschluss von ESIA 1 zeigten sich ein signifikant höheres sprachliches Anregungsniveau sowie häufigeres demokratisches Verhalten bei pädagogischen Fachkräften, die an der Intervention teilgenommen hatten. Interessant ist vor allem, dass die Unterschiede zwischen den pädagogischen Fachkräften der Kontroll- und Interventionsgruppe mit der Zeit nicht geringer, sondern größer geworden waren. Bei den Kindern konnten langfristig keine signifikanten Effekte mehr nachgewiesen werden, wobei auch methodische Gründe, wie kleine und inhomogene Stichprobe, unterschiedliche Testverfahren, etc. eine Rolle spielen.
Weitere Datenanalysen, z.B. Follow-up der Stichprobe aus ESIA 2, werden zurzeit durchgeführt.
Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 18 Abs. 2 MStV ist Dr. Simone Beller Oldenburger Str. 23 10551 Berlin.